Apple kauft Tidal?

Geschrieben am Veröffentlicht in Meinung

Eine höchstens dem Zeitpunkt nach etwas überraschende Meldung wird heute vom „Wall Street Journal“ verbreitet. Danach befinde sich Apple in Gesprächen mit Tidal über eine Übernahme. Ein erstes Dementi von Tidal klang schon mal lahm: „niemand vom Management“ von Tidal spreche mit Apple. Klar, Apple spricht hier nicht mit Karlchen, sondern mit Karl, soll heißen: mit dem Eigentümer und der wird dies zunächst einmal tun, ohne den Vorstand seines Unternehmens einzuweihen.

Was kann Apple an Tidal interessieren? Der neue Eigentümer Jay-Z hat Tidal letztes Jahr für 56 Mio. USD von der schwedischen Mutterfirma übernommen, für dieses Gewerbe übrigens ein nahezu vernachlässigbarer Betrag. Er hat ein neues Geschäftsmodell in die Branche eingeführt, das in ähnlicher Form auch schon von amerikanischen Fernsehfirmen verfolgt wird, nämlich die Segmentierung. Wo die TV-Firmen mit eigenen Produktionen die Kunden an sich zu binden versuchen (HBO: „Games of Thrones“) oder Videostreamingdienste eigene Serien produzieren (Netflix), nutzte Jay-Z seine Kontakte und scharte ein paar vorzüglich von sich überzeugte Popgrößen um sich, die ihre neuen Produktionen zuerst auf Tidal zu Gehör bringen, Wochen, bevor sie bei anderen Streamingdiensten zu hören oder physisch als Musikträger (CD, LP) zu kaufen sind. Und der musikalische Fundus verstorbener Größen wie Prince wird monopolisiert, der Entgang möglicher Lizenzgebühren interessiert unter strategischen Gesichtspunkten nicht.

Apple andererseits will seinen eigenen Musikdienst voranbringen, hat nach einem Jahr nach eigenen Angaben 16 Mio. Nutzer. Mit Spotify ist ein mächtiger und lästiger Konkurrent da (der sich beklagt, Apple behindere ihn, wo es gehe), also ist die Strategie, zunächst die kleineren Mitesser am großen Kuchen zu schlucken. Selbst ein Mehrfaches des gezahlten Einstandspreises wird für Apple höchstens Koppersche „peanuts“ sein, schließlich wurden 2014 für Beats Milliarden gezahlt. Wichtig ist es hier, die Abhängigkeit von den zunehmend verhaltener werdenden Hardwareverkäufen wie iPhone oder iPad zu reduzieren und mehr „Content“ zu verkaufen.

Für die Kunden wird die Segmentierung und die steigende Macht von Anbietern wie Apple keine Vorteile bringen. Wohl dem, den der zugrunde gelegte „Content“ – La-La-Pop – nicht interessiert. Und wohl dem, der bereits uneinschränkbaren Zugriff auf einen eigenen ausreichenden Bestand an physischen Musikträgern mit hoher Qualität verfügt.